Yannicks Blog

Tag 64: Der letzte Beitrag

Jan 032019

Willkommen zum letzten Beitrag meines Blogs. Ich habe mir lange Gedanken darüber gemacht, wie ich diesen gestalten soll, nur, um zu dem Ergebnis zu kommen, nichts Besonderes daraus zu machen und wie sonst auch einfach drauf los zu schreiben. Das war bei den vorherigen 29 Einträgen immerhin auch mein Erfolgsrezept.

Bevor ich also den Abschluss finde, erzähle ich euch noch ein wenig von Silvester. Durch die Erzählungen von den Leuten im Dorf wurden meine Erwartungen extrem hochgeschraubt, tatsächlich war der Abend aber einfach nur kurios. Ich war zunächst den ganzen Tag über mit Ifeany, einem aus Abuja angereisten Bruder von Chimezie, unterwegs. Er ist ein recht erfolgreicher Geschäftsmann, lässt dies aber auch alle anderen gerne wissen und wollte mir gegenüber natürlich auch ein wenig den Draufgänger raushängen lassen. In seinem aufgemotztem Benz machten wir uns auf den Weg, um ein paar seiner einflussreichsten Freunde zu besuchen. Ich fand mich dabei wieder, wie ich mit Millionären auf dem Dach einer Villa Whiskey schlürfte und mit Senatoren das Abendessen teilte. Allein meine Hautfarbe ist meine Eintrittskarte. Dass ich in Deutschland nur ein popeliger Student bin, interessiert dabei niemanden.

Als wir gegen 9Uhr zurück im Dorf waren, begaben wir uns in den kleinen Kreis der Familie. Alle hingen vorm Fernseher und es passierte nicht wirklich etwas. Ich nutzte die Zeit, um mich entspannt auf die Veranda zu setzen und nach Hause zu telefonieren. Als ich so am Telefon hing, bemerkte ich, wie es drinnen immer lauter wurde und ehe ich mich versah, brach ein riesen Streit aus. Ich habe selten Leute so streiten hören und ich sah den Abend leicht auf der Kippe. Da saß ich also, mitten im Busch allein auf einer Veranda mit meinem Bierchen; und das kurz vor Neujahr. Ich nahm die Situation mit einem Schmunzeln zur Kenntnis und wartete, bis der Streit sich legte, was kurz vor Mitternacht tatsächlich der Fall sein sollte. Ich begab mich wieder zur Familie. Um 0:00Uhr sprang ich voller Begeisterung auf und wünschte allen ein frohes neues Jahr, dies wurde aber komplett ignoriert. Ich setzte mich wieder hin, nur um zu sehen, wie die Leute ca. zehn Minuten verzögert total durchdrehten. Sie rannten aus dem Haus, fielen auf die Knie und schrien Gebete Richtung Himmel, denn natürlich ist nur Gott dafür verantwortlich, dass sie es lebend ins neue Jahr geschafft haben. Ich zündete ein-zwei kleine Böller und bei jedem rasteten die Leute aus. Erwachsene Männer sprangen wie kleine Kinder durch die Gegend, sobald es „Bumm“ machte. Ich fand's ganz witzig und machte mir einen kleinen Spaß daraus. Der Grund für diese Verzögerung ist mir bis heute verwehrt geblieben.

Anschließend schlenderten wir ein wenig durch das Dorf und wünschten den Nachbarn ein frohes neues Jahr. Je später es wurde, desto komischer verhielten sich aber die Leute. Überall auf der Straße entfachten kleine Feuer und immer mal wieder kam jemand aus dem Nichts über die Straße gerannt, der laut irgendwelche Psalme aus der Bibel gen Himmel schrie. Gegen halb 2 wurde mir die Atmosphäre doch ein wenig zu abgefahren und ich entschied mich dazu, einfach ins Bett zu gehen. Es war wahrscheinlich alles ganz normal, aber für mich hatte es den Touch eines Horrorfilms.

Mittlerweile befinde ich mich also wieder in Lagos und zwar genau dort, wo alles begann. Tatsächlich sitze ich gerade auf eben jenem Sitzsack, auf dem ich auch den Allerersten Eintrag geschrieben habe. Ich lasse die Dinge Revue passieren und stelle fest, dass es viel zu viel Input war, um es mal eben zu ordnen und zusammenzufassen. Es braucht also eine andere Herangehensweise und genau in diesem Moment fällt mir eine Frage ein, die mir mein Onkel kurz vor meiner Abreise stellte: was willst du dort erreichen, was die Leute nicht auch eigenhändig erreichen könnten? Vor drei Monaten fiel es mir noch schwer, meine Absichten darzulegen, ohne zu wissen, was mich hier überhaupt erwarten würde. Jetzt scheint die Antwort simpel: ohne Hilfe würden diese Menschen genau gar nichts im Leben erreichen. Womöglich würden einige von ihnen nicht mal mehr unter uns weilen (im weiteren Sinne). Aber ich möchte mich gar nicht mal an den materiellen Dingen festhalten. Natürlich gibt es jetzt vor Ort alles, was man braucht, um Unterricht zu gestalten und darauf bin ich auch sehr stolz. Die Essenz meiner Arbeit, was ich auch erst später begreifen sollte, lag aber in etwas ganz Anderem. Sie lag darin, Hoffnung zu geben. Den Kindern zu zeigen, dass es da draußen jemanden gibt, der an sie denkt. Denn so wichtig es auch ist, sie mit Nahrung, Kleidern, Bildung und so weiter zu versorgen, umso wichtiger ist es, ihnen den Glauben an sich selbst zurückzubringen. Als Babys sind wir alle gleich, wir sind naiv, greifen nach den Sternen und glauben, alles erreichen zu können. In unserer Gesellschaft werden die meisten nicht vom Leben auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Hier wiederum verpasst die Realität den Kids bereits in jungen Jahren eine derartige Schelle, von der sie sich den Rest ihres Lebens kaum erholen können. So wird aus vielen perspektivlose Nichtsnutze, die so gerade den Tag überleben. Um es auf den Punkt zu bringen: die Antwort lautet Hoffnung.

Was mich die Erfahrungen hier lehren, ist natürlich unbezahlbar. Viele Dinge werden mich für den Rest meines Lebens prägen. Während meiner Zeit hier habe ich mich in gewissen Situationen immer wieder dabei ertappt, wie ich mir vorstelle, wenn dies genau so in Deutschland der Fall wäre. Lasst mich euch an diesem Gedankenexperiment teilhaben. Entspannt euch, schließt die Augen und stellt euch ernsthaft vor, wie es wäre, wenn die folgenden Dinge auch in eurem Leben zutreffen würden:

Was wäre, wenn..
..das Wasser aus dem Hahn gesundheitliche Schäden hervorrufen kann?
..du nur zwei Stunden am Tag Strom hättest (manchmal mehrere Tage am Stück gar keinen)?
..es kein Müllabfuhrsystem geben würde und sich auf den Straßen meterhohe Müllberge anhäufen würden?
..der Müll auf der Straße verbrannt werden müsste und du kaum atmen kannst, wenn du über den Markt läufst?
..du als Mann nach zwölf Stunden harter Arbeit gerade mal genug verdient hast, um deiner Familie ein bisschen Toastbrot und Reis zu kaufen?
..du als Frau gerade so mehr wert bist, als ein Tier?
..jedes zehnte Kind das Alter von fünf Jahren nie überschreiten wird?
..dein Land eigentlich reich an Rohstoffen ist, du aber keinen Cent davon siehst?
..jeder Mückenstich tödlich sein kann, weil kein Gesundheitssystem existiert?

Das sind nur ein paar der Fragen, die mich oft beschäftigen und auch noch lange nach meiner Rückkehr nach Deutschland beschäftigen werden. Das Gefühl, dass ich die Wahl habe, das alles hinter mir zu lassen und zu meinem Leben in Deutschland zurückzukehren, ist irgendwie surreal.

Naja, genug der Philosophie. Das war’s mit diesem Blog und meiner Zeit in Nigeria. Ich möchte keinen Tag, keine Erfahrung und keine Person missen, aber es ist Zeit zu gehen. Morgen fliege ich rüber nach Dar Es Salaam, Tansania, um von dort aus die Ostküste über den Kilimandscharo bis zum Viktoriasee hoch zu pilgern. Ich danke all meinen Lesern und Leserinnen und den Leuten, die das Projekt unterstützt haben und weiterhin unterstützen. Vielen vielen Dank für all die Spenden, die ihr aufgebracht habt. Ihr habt damit zu etwas ganz Großem beigetragen und es gibt viele Kinder, die euch von ganzem Herzen danken. Um es mit den Worten meiner neuen Freunde auszudrücken: one love!

 

Liebe Grüße nach Deutschland und bis dahin

euer Yannick

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Tag 60

Dec 312018

Es neigt sich nun also alles dem Ende zu. Wenn man bedenkt, dass ich vor gar nicht allzu langer Zeit noch enttäuscht die nigerianische Botschaft in Berlin ohne Visum verlassen musste, wird einem die Relativität der Zeit erst so richtig bewusst. Ein Fazit mag ich mir immer noch nicht zumuten. Ich werde den ganzen nächsten Monat genug Zeit haben, alles ein wenig sacken zu lassen und mit der Reflexion zu beginnen.

Die letzten Tage waren unterm Strich recht entspannt. Ich hatte mich dazu entschieden, das Hotel zu verlassen und einmal mehr so richtig tief in das Leben der indigenen Bevölkerung einzutauchen, womöglich tiefer denn je. Die letzten vier Nächte, bevor ich den Flug gen Lagos antrete, verbringe ich nämlich in Chimezies Elternhaus. Es ist eine sehr kleine, bescheidene Hütte, die aus vier gleichgroßen Zimmern besteht, die wiederum durch einen Flur in der Mitte getrennt sind. Chime lebt hier mit seinen beiden jüngeren Brüdern, seiner jüngeren Schwester und der Mutter. Wenn die ganze Familie gleichzeitig nach Hause kommt, teilt man sich hier gerne mal zu dritt oder viert einen kleinen Raum. Die Küche ist eine kleine Blechhütte mit Feuerstelle im Garten und die Toilette eine Art Plumsklo am hintersten Ende des Grundstücks. Die „Dusche“ ist lediglich ein durch vier Mauern abgesteckter Raum im Freien, in dem man sich, mit einem Eimer Wasser bewaffnet, begibt und wäscht. Es ist aber Vorsicht geboten, denn man teilt sich diese mit einer Henne, die gerade ihre Eier ausbrütet. Oma, ich kann die Geschichten aus deiner Jugend nun auf jeden Fall besser nachvollziehen!

Die Familie ist in der Gemeinde sehr gut eingebunden und genießt ein hohes Ansehen. Das führt dazu, dass man hier wirklich gar nicht belästigt wird und man weitestgehend seine Ruhe hat. Es kommt natürlich immer noch vor, dass ich plötzlich von einer Meute von Kindern umgeben bin, wenn ich im Garten meinen Kaffee trinke, aber das ist nun mal eine Begleiterscheinung, an der sich nie etwas ändern wird; meistens genieße ich es ja auch nach wie vor. Ich muss allerdings eingestehen, dass ich emotional mittlerweile ein wenig abgeflacht bin. Das bedeutet, dass ich den Leuten lange nicht mehr so euphorisch, wie noch am Anfang, begegne. Es fällt mir immer schwerer, ein Lächeln für die Kids aufzubringen und meine Späßchen mit ihnen zu machen. Ich merke einfach, dass ich am Ende meiner Kräfte angelangt bin und nichts mehr zu geben habe. Das tut mir teilweise sehr leid, aber ändern kann ich daran zurzeit nicht wirklich etwas. Ich werde die Batterie wieder aufladen, um bei meiner nächsten Reise nach Nigeria die nötige Energie, Motivation und Euphorie wieder aufbringen zu können.

Heute habe ich mich allerdings nochmal gesammelt, um ein letztes Mal zum Waisenhaus zu fahren. Ich wollte ein letztes Mal mit allen reden und sicherstellen, dass die Weichen für die nächsten Monate richtig gestellt sind. Außerdem führte ich ein Interview mit einer Lehrerin, die das Projekt nach meiner Abreise zusammen mit meiner Assistenzlehrerin weiterführen möchte. Sie klang recht überzeugend und wir werden sie wahrscheinlich anheuern. Starten werden wir mit den Samstagen und zwar so, wie ich es die letzten zwei Monate auch gehalten habe. Wichtig dabei ist mir Disziplin im Unterricht, Pünktlichkeit, Sauberkeit und Zusammenhalt, was ich mehrmals betont habe. Ich denke aber, dass wir da auf einer Wellenlänge schwimmen. Wie es sich dann letztlich entwickelt, bleibt abzuwarten. Ich habe die Leute während eines Ausnahmezustandes, nämlich meine Anwesenheit, kennengelernt. Wie weit dieser vom Normalzustand abweicht, ist für mich nur schwer einzuschätzen. Dennoch bin ich davon überzeugt, die wichtigsten Charakterzüge aller Beteiligten herausgefiltert zu haben, um zu wissen, auf wen man in Zukunft möglicherweise bauen kann und an wen unsere Ressourcen verschwendet wären.

Nach den vielen Gesprächen habe ich einem Jungen noch individuellen Gitarrenunterricht gegeben. Diesem werde ich auch die Gitarre hinterlassen, die ich übrigens gestern reparieren konnte. Ich wollte sicherstellen, dass er für sich eine autodidaktische Herangehensweise entwickeln kann, mit der er auch ohne Lehrer Fortschritte erzielen kann. Da ich es selbst auf diese Weise gelernt habe, konnte ich ihm ganz nützliche Ratschläge geben. Seine offensichtliche Liebe zur Musik stimmt mich sehr optimistisch. Danach verabschiedete ich mich von den Anwesenden, machte aber keine große Szene draus. Wir fanden einen produktiven Abschluss und ich wollte es dabei belassen.

Morgen ist Silvester. Ich weiß noch nicht wirklich, was mich erwartet, aber ich lass mich einfach mal überraschen. Ich erzähle euch davon im nächsten Eintrag, bei dem ich bereits wieder in Lagos sein werde. Dieser wird dann tatsächlich auch der letzte sein. Ich merke natürlich selbst, dass die Qualität meiner Einträge mehr und mehr abnimmt, also werde ich es nicht überstrapazieren und eine runde Sache daraus machen.

Jetzt wünsche ich euch erstmal einen guten Rutsch ins neue Jahr. Feiert schön und bleibt gesund!

Tag 57

Dec 272018

Soo, dann lasst mich euch mal von Weihnachten in Nigeria erzählen. Es war nicht das erste Mal, dass ich Weihnachten in einer fremden Kultur feiere, aber das andere Mal war in London und somit nicht viel anders, als bei uns in Deutschland. Hier im Gegensatz liefen die Feiertage schon ein wenig anders ab. Ich starte mal mit unserer großen Feier am 24., denn das war natürlich das Hauptevent für alle Beteiligten.

Gegen 9:00Uhr morgens machten wir uns bereits auf den Weg. Auf diesem mussten wir noch einige Kleinigkeiten erledigen, wie beispielsweise den Gaskocher befüllen und die gekühlten Getränke abzuholen. Als wir im Dorf ankamen, waren die Frauen schon fleißig dabei, das Essen vorzubereiten. Leider war es nicht ganz das Essen, was wir zuvor besprochen hatten und ich war ein wenig enttäuscht. Statt frischem Gemüse und Salat gab es wiedermal ein Reisgericht mit Fleisch, was auch okay war, aber ich wollte halt mal was anderes versuchen. Ich hatte die Verantwortung dafür wohl in die falschen Hände gegeben, wollte aber kein großes Thema draus machen.
Generell hatte ich den ganzen Tag durchgeplant. Kochen, essen, Bescherung und Spiele spielen standen dabei auf der Tagesordnung und es sollte stets das „Zusammen“ im Vordergrund stehen. Schon beim Kochen gab es Streit, gegessen hat irgendwie jeder für sich und auf Spiele hatte niemand Lust. Ich sah schnell, dass der weihnachtliche Spirit so, wie wir ihn kennen, in Nigeria nicht existiert. Zumindest die Bescherung konnte ich in die richtigen Wege leiten. Insgeheim warteten natürlich alle nur darauf, was der weiße Mann so an Geschenken vorbereitet hatte, alles andere war nur Nebensache.

Bereits vor meiner Ankunft hatte sich eine riesige Meute an Kindern vor unserem Haus eingefunden. Als wir alles so aufgebaut hatten, dass wir alles halbwegs kontrolliert über die Bühne bringen konnten, war es bereits 13:00Uhr. Bis dahin hatten sich noch viel mehr Leute dort eingefunden; und alle wollten natürlich etwas abstauben. Ich sah viele Gesichter, die ich zuvor noch nie gesehen hatte, was mir zum Teil gar nicht passte. So machte ich auf jeden Fall deutlich, dass zuerst die, die an meinem Unterricht teilgenommen haben, ein Geschenk kriegen. Wir formierten die Schlange dementsprechend, die mittlerweile aus knapp 60 Kindern bestand.

Ich wollte schon beinahe mit der Bescherung anfangen, da liefen plötzlich einige von meinen Schülern in traditionellen Kleidern ein, um einen für mich einstudierten Tanz vorzuführen. Dies führte zum ersten Mal an diesem Tage dazu, dass ein wenig Weihnachtsstimmung aufkam. Wir hatten großen Spaß daran und auch die Erwachsenen stiegen mit ein. Eine gute halbe Stunde später war es dann so weit. Ich machte Weihnachtslieder an und rief jedes Kind einzeln zu mir, um das Geschenk zu erhalten. Dieses bestand aus einer kleinen Tüte, die mit folgenden Dingen befüllt war: eine Schachtel mit Essen, ein Getränk, ein Heft, Stifte, ein Lollie, eine Orange und entweder eine Uhr oder eine Brille. Von jedem dieser Kinder erhielt ich eine Umarmung, ein „Merry Christmas“ und ein Lächeln über das gesamte Gesicht, was mich sehr rührte und den ganzen Stress der letzten Tage vergessen ließ. Allein für diesen Moment hat sich der ganze Trip nach Nigeria für mich gelohnt. Ich denke auch nicht, dass ich jemals so ein Maß an Glückseligkeit gespürt habe. Gegen Ende wurde es dann doch sehr knapp mit der Menge an Geschenken, aber auch für das letzte Kind konnten wir etwas aus dem Köcher ziehen, also waren alle zufrieden. Nach der Bescherung saß ich mit Chimezie dann mit einem Bierchen vor dem Haus und wir sahen den Kindern dabei zu, wie sie ihre Geschenke auspackten und diese miteinander verglichen. Alle anderen Erwachsenen schmollten vor sich hin, da ich für sie keine Geschenke besorgt hatte, was ich aber von Anfang an deutlich gemacht hatte. All dies prallte aber an mir ab und ich beobachtete weiter die Kids.

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Als wir dann gegen 16:00Uhr genug hatten, machten Chimezie und ich uns auf zu seinem Elternhaus. Ab da war alles einfach nur Entspannung pur, denn an diesem Ort fühle ich mich wohl und geschützt vor dem Stress am Waisenhaus. Ich schlafe zwar in einem Hotel, was ich mir über die Feiertage gegönnt habe, verbringe aber meine Zeit tagsüber mit der Familie und den Freunden von Chimezie, mit denen ich unglaublich gut klarkomme. Auch die beiden Weihnachtsfeiertage verbrachte ich dort und es drehte sich eigentlich alles nur darum, zu entspannen und sich nicht groß vom Haus zu entfernen. Das ist eigentlich auch alles, was Weihnachten hier ausmacht. Eine Möglichkeit, dem Wahnsinn des Alltags für zwei Tage zu entkommen und sich mit seiner Familie in eine Art Vakuum zu begeben, in dem man all seine Sorgen zumindest kurzfristig vergessen kann. Natürlich haben die Leute nicht plötzlich mehr Geld oder Essen, nur, weil Weihnachten ist, aber die entspannte und friedliche Atmosphäre lässt die Leute anders mit ihren Umständen umgehen. Dazu trägt auch bei, dass die Leute eher zum Teilen neigen, also haben selbst die, die sonst nichts haben, immerhin ein bisschen was. Wir machten uns einfach eine entspannte Zeit, tranken mit den Nachbarn ein paar Bierchen und zwischendurch telefonierte ich viel mit meiner Familie, die ich über die Feiertage natürlich besonders vermisste. Nächstes Jahr bin ich dann wieder in Deutschland, versprochen! ;)

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 P.S.: Den neuesten Zeitungsartikel findet ihr nun auch unter den Seiten ("Ein erstes Fazit"). Einmal mehr geht mein Dank dafür an Axel Roll! Außerdem gehen weiterhin Spenden auf unser Konto ein. Auch dafür Dank ich euch allen vielmals! 

Tag 53

Dec 232018

Waren das jetzt etwa vier Tage? Dann habe ich tatsächlich mein Wort gebrochen, das tut mir natürlich leid. Aber ich bin mir sicher, dass ihr sehen konntet, dass es nichts zu befürchten gibt und bei mir ist auch nach wie vor alles tutti. Lasst mich euch aber eines sagen: die Weihnachtszeit in Nigeria ist hardcore! Bis vor Kurzem dachte ich noch, dass doch alles nur halb so wild sei. Seit dieser Woche ist aber nichts mehr normal und es hat auch der Letzte endgültig seinen Verstand verloren. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen, das ist bereits in Stein gemeißelt, aber sicher nicht zur Weihnachtszeit!

Freitag und heute drehte sich alles nur um die Vorbereitungen. Wir haben Unmengen an Essen, Getränken und Geschenken besorgt und irgendwie befürchte ich dennoch, dass wir morgen komplett überrannt werden. Sollte es dazu kommen, kann ich trotzdem behaupten, alles gegeben zu haben. Ab einem gewissen Punkt, wie ich bereits erwähnte, müssen zwangsläufig einfach Leute auf der Strecke bleiben. Ich habe jetzt exakt 50 Geschenke für die Kids vorbereitet. Wenn 51 vor mir stehen und das letzte mich mit großen Augen anschaut, werde ich aber wohl anfangen zu heulen. Vielleicht werde ich das eine Kind dann als Entschuldigung mit nach Deutschland nehmen. Was ich denen schenke und wie alles abläuft, schreibe ich dann in dem Eintrag nach Weihnachten, vielleicht ja schon am Mittwochabend.

Jetzt erzähle ich euch lieber von gestern, denn trotz wilder Vorbereitungen wollte ich noch einmal einen richtig schönen Samstag mit den Kids verbringen. Leider war ich erst sehr spät im Dorf, da der Tag mal wieder total chaotisch begann. Hauptverantwortlich war aber das „Spiel der Banken“. Das habe ich selbst erfunden und jeder der zwei Millionen Einwohner von Owerri spielt mit. Es geht wie folgt: die Banken füllen täglich nur einen Geldautomaten der Stadt mit Geld, alle anderen sind leer. Wer diesen einen Automaten findet, gewinnt. Jetzt mal Spaß bei Seite. Es gibt Tage, da scheint es unmöglich, an Geld zu kommen. Teilweise gurken wir zwei Stunden in einem Taxi durch die ganze Stadt und klappern die Banken ab. Hat man einen Automaten gefunden, der befüllt wurde, ist die Warteschlange unfassbar lang. Das frustriert zwar extrem, aber man hat ja keine Wahl, als das Spiel zu spielen.

So gegen 11:30Uhr war ich dann endlich im Dorf. Bis ich die ganzen Kinder zusammengetrommelt hatte, war es bereits 12:00Uhr. Das war aber okay, da ich für dieses Tag keinen Unterricht, sondern die „Olympic Games of Nigeria“ (Olympischen Spiele Nigerias) ausgerufen hatte. Ich teilte die Gruppe in zwei Teams a 15 Kinder auf und forderte sie zunächst auf, demokratisch einen Kapitän und einen Teamnamen zu wählen. Daraus ergab sich das Duell zwischen „Team Chelsea“ gegen „Team Good Luck“. Gespielt wurden folgende acht Disziplinen, aus denen man eine maximale Punktzahl von 20 Punkten einfahren konnte:

Spiel 1: Toilet Paper Toss (Toilettenpapierwurf) (1Pkt.)
Ich begab mich mit zwei Stücken Toilettenpapier, eins für jedes Team, auf den Balkon im 1. Stock des Hauses. Die Mitglieder beider Teams wurden jeweils aufgefordert, sich an die Hände zu nehmen und einen Kreis zu bilden. Anschließend wurden beide Papierstücke gleichzeitig vom Balkon fallen gelassen. Ziel des Spiels war es, das Stück Toilettenpapier mithilfe von kollektivem Pusten über dem Boden zu halten. Das Team, dessen Papier zuerst den Boden berührt, hat verloren.

Spiel 2: Hangman (Galgenmännchen) (3Pkt.)
Dieses Spiel ist wohl selbsterklärend. Jedes Team bekam drei Wörter zum erraten.

Spiel 3: Hit the Bucket (Triff den Eimer) (2Pkt.)
Beide Teams stellten sich jeweils in einer Reihe vor einer alten Tonne auf, die Entfernung betrug fünf Meter. Ziel des Spiels war es, in möglichst kurzer Zeit zehn Mal in die Tonne zu werfen. Nachdem der Vorderste an der Reihe war, holte dieser den Ball zurück, übergibt ihn an den Hintermann und stellt sich hinten an.

Spiel 4: Trivia (5Pkt.)
Jedes Team bekam ein Blatt Papier und einen Stift. Der Kapitän sollte das Schreiben übernehmen. Pro Frage gab es eine Minute Antwortzeit. Folgende Fragen wurden gestellt:
1. Wie lautet mein Nachname?
2. Wie viele Milliliter sind 15 Liter?
3. Wie lautet der Text unseres „ABC Song“?
4. Wie viele Einwohner hat Nigeria?
5. Wie heißt dieser Song? (Hier habe ich das Lied „Jingle Bells“ abgespielt)

Spiel 5: The great Egg-Run (Der große Eierlauf) (3Pkt.)
Jedes Team musste sieben Spieler (die ältesten) auswählen, die den Lauf antraten. Zuvor wurde ein Parcours rund ums Haus abgesteckt. Die beiden Teams stellten sich jeweils in einer Reihe an der Startlinie auf, die beiden Kapitäne bekamen Löffel und Ei und starteten den Lauf. Gewonnen hat das Team, dessen sieben Läufer zuerst die Ziellinie überquerten.

Spiel 6: Kommando Pimperle (2Pkt.)
Hier nahmen alle Spieler beider Teams teil. Gespielt wurde nach dem „Last Man Standing – Prinzip“, also das Team, welches als letztes noch einen Spieler im Spiel hat, gewinnt. Es gab die folgenden Kommandos: Hand (Hände in die Luft), Fuß (Füße berühren), Kopf (Kopf berühren) und Spring (aufstehen und hochspringen). Der Spieler, der reagiert, obwohl kein „Kommando“ vorwegging, scheidet aus.

Spiel 7: Make a Row (Bilde eine Reihe) (2Pkt.)
Beide Teams bekamen drei Stichworte und mussten ihre Gruppe danach aufsteigend sortieren, OHNE zu reden. Die Stichworte: Größe, Alter und Distanz des eigenen Hauses zu unserem Waisenhaus.

Spiel 8: The Pure Water Race (das Wasser-Rennen) (2Pkt.)
Die Kapitäne bekamen jeweils ein wenig Geld und mussten dem Spielleiter (meiner Wenigkeit) einen Beutel „pure Water“ (kleine, mit Trinkwasser gefüllte Plastikbeutel) kaufen. Um zu gewinnen, muss das gesamte Team die Ziellinie überqueren. Der nächste Kiosk befand sich etwa 500m weit entfernt von unserem Haus.

Nach gut drei Stunden Spielzeit konnten wir schließlich Team Good Luck zum Sieger der ersten olympischen Spiele Nigerias küren. Der Preis war eine Schachtel Kekse, aber ich hatte natürlich noch eine zweite für das andere Team in der Hinterhand. Insgesamt eine super gelungene Aktion, die uns unglaublich viel Spaß gemacht hat. Ganz besonders euphorisch waren die Kids natürlich beim Eierlauf, da das mal etwas komplett Neues war. Sehr positiv fiel mir auf, dass beide Teams sehr fair miteinander umgingen. Bei „Triff den Eimer“ hat das eine Team das jeweils andere sogar angefeuert. Definitiv ein gelungener Abschluss.

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Eigentlich war’s das, aber eine aufregende Sache habe ich noch. Wir waren bereits mit dem Essen fertig, saßen in entspannter Runde zusammen und quatschten noch ein wenig, als vor uns plötzlich eine 1,5-2 Meter lange Schlange auftauchte. Reflexartig wurde eine Art Notfallprotokoll ausgeführt, in dem die Frauen die Kinder in den 1. Stock des Hauses brachten und die Männer sich mit Stock und Stein bewaffneten, um auf die Jagd zu gehen. Die Regel scheint zu sein, dass, wenn eine Schlange sich bereits in unmittelbarer Nähe zum Haus befand, sie getötet werden muss, da sie höchstwahrscheinlich immer wiederkommen wird. Zwei der Männer trieben sie also aus ihrem Versteck heraus in die Richtung, in der ich mich mit zwei weiteren befand. Als sie schließlich auf uns zu kam, warfen wir sie mit Steinen K.O. und da sie direkt vor mir lag, reagierte ich schnell und tötete sie mit einem Ast. So leid mir das Tier auch tat, aber ein Biss endet für einen Menschen hier in der Regel tödlich. Nun ja, jetzt kann ich behaupten, eine giftige Schlange getötet zu haben. Was man hier nicht alles so erlebt.

Tag 49

Dec 192018

Ihr seht schon, dass sich die Frequenz meiner Beiträge bereits reduziert hat und ich mich auf einen 3-Tage-Rhythmus eingependelt habe. Das liegt auf keinen Fall daran, dass ich nichts mehr zu erzählen habe, eher das Gegenteil ist der Fall, denn seitdem die Vorweihnachtszeit begonnen hat, bin ich von morgens früh bis abends spät unterwegs und falle meist halbtot ins Bett. Selbst in diesem Zustand verbringe ich dann noch mindestens zwei Stunden damit, mit Leuten zu telefonieren und mich auf Bevorstehendes einzustellen. Die Vorbereitungen für das Fest, der Bau, die Streithälse, der Unterricht, dann hat hier wieder jemand Malaria, dort wurde jemand vom Hund gebissen .. und die ganze Welt schaut auf Yannick. Die Tatsache, dass ich mittlerweile tief im Leben der Leute verwurzelt bin, stellt sich als echte Zerreißprobe für mich heraus. Dennoch habe ich gelernt, mich mit den Umständen zu arrangieren und was mir vor sechs Wochen noch schlaflose Nächte bereitete, ist nun beinahe Normalität.

Was passiert hier denn so den ganzen Tag? Die Hälfte der Zeit geht schon mal locker für den Bau drauf. Ich Helfe Chimezie dabei, den Überblickt zu behalten, Pläne zu machen, die Arbeiter zu kontrollieren und Materialien zu beschaffen. Obwohl ich hier und da schon mal auf Baustellen gearbeitet habe, bin ich zwar noch lange nicht vom Fach, aber ich kann meine Tugenden und mein Ansehen vor Ort ganz gut dafür nutzen, den Leuten ein wenig einzuheizen. So hat die Innenausstattung des Hauses innerhalb einer Woche einen riesen Sprung gemacht. Zum Wochenende ist die Fertigstellung eines weiteren Raumes geplant, so dass dieser von einer Frau und drei Kindern unseres Projektes bezogen werden kann.

Die andere Hälfte versuche ich natürlich mit den Kindern zu verbringen, was nach wie vor meine liebste Zeit ist. Wir lernen zusammen, spielen Ballspiele oder machen oft einfach nur faxen, denn so ganz erwachsen bin ich ja selbst auch noch nicht. Heute haben wir uns beispielsweise aus einer alten Blechtonne einen Basketballkorb gebaut und um Steine gewettet, wer die meisten und coolsten Würfe trifft. Die Kids haben natürlich kein Land gesehen.

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Außerdem konnten wir gestern ein neues Mitglied der Familie kennenlernen. Sie heißt Denise, wurde hier im Dorf geboren, lebt aber quasi ihr ganzes Leben in Deutschland. Eine sehr nette Abwechslung, sich mal wieder ein wenig auf Deutsch unterhalten zu können. Ich zeigte ihr alles rund um das Projekt und sie kündigte gleich an, uns während ihres Aufenthaltes ein wenig unter die Arme greifen zu wollen. Das wird am Wochenende wohl im Zuge von Workshops passieren, dessen Themen wir vorher noch besprechen werden. Von mir aus kann sie gerne das Thema Verhütung und sexuell übertragbare Krankheiten übernehmen, denn ich werde mich sicher niemals mit einer Gurke und einem Kondom vor eine Klasse stellen.

Als wir heute fertig mit der Arbeit waren, nahmen wir an einer der hunderten Beerdigungen teil. Anscheinend werden ab dem 20.12. bis etwa Mitte Januar keine Beerdigungen vollzogen, was bedeutet, dass jeder seine Angehörigen noch fix vorm 20. unter die Erde bringen möchte. Die Verstorbene schien eine recht mächtige Frau gewesen zu sein, da die Feier auf einem sehr pompösen Anwesen stattfand, welches sogar vom Militär überwacht wurde. Es versammelten sich unglaubliche Menschenmassen in bunten Gewändern, es gab eine Live-Band und Essen sowie Getränke waren für lau. Da lehnt man das Bierchen natürlich nicht ab, um selbst auch auf die Gute anzustoßen. Den Militärfritzen auf dem Foto habe ich übrigens gefragt, ob ich seine Waffe mal halten darf; fand er nicht so witzig. 

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Es ist jetzt 23:00Uhr. Gegen 19:00Uhr habe ich angefangen, diesen Eintrag zu schreiben. Zwischendurch musste ich schon wieder so viele Dinge regeln, so dass ich nun vier Stunden für die paar Zeilen hier gebraucht habe. Ich könnte euch noch mehr erzählen, schlafe aber gleich auf der Tastatur meines Laptops ein. Eines muss ich aber noch erwähnen: die rund 200 Leser dieses Blogs haben insgesamt 1296€ gespendet!!! Das macht mich unfassbar glücklich und überaus stolz. Diejenigen, die ich nicht persönlich erreichen kann, möchte ich nun auf diesem Wege einen ganz herzlichen Dank aussprechen. Ich werde hier keine Namen mehr nennen, denn ich habe anfangs nicht bedacht, dass einige vielleicht lieber anonym spenden wollen, so gehe ich auf Nummer sicher. Fühlt euch aber alle von mir gedrückt. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was das für mich und die Leute des Projekts bedeutet. DANKE!

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Tag 46

Dec 162018

Da habe ich mich doch glatt bei 36Grad Außentemperatur erkältet. Deswegen liege ich heute mal ein bisschen flach, aber heute ist ja eh Sonntag und wir hatten nichts weiter vor. Insofern kann ich euch auch in Ruhe von den letzten beiden Tagen erzählen.

Anfang der Woche kam seit langem endlich mal wieder eine Rutsche Geld und seit Mittwoch wird auch wieder ordentlich reingehauen. Als ich am Freitag am Haus ankam, war bereits ein Klempner da, der sich um den Wasseranschluss kümmerte. Wir haben jetzt also tatsächlich fließendes Wasser in zwei voll ausgestatteten Badezimmern. Zuvor machten Chimezie und ich uns auf zum Markt, um weitere Baumaterialien, wie beispielsweise Zement und Sand, zu besorgen, was auch sehr erfolgreich war. Als Chime sich dann auf den Weg machte, um Türen, Zargen und Fenster zu bestellen, blieb ich im Dorf und schnappte mir ein paar Leute, um ihnen einen Crashkurs in die Welt des Computers zu geben.

Der Kontrast ist schon phänomenal. Mein Leben ist ohne diesen ganzen Schnickschnack kaum mehr vorstellbar und die Leute hier sind komplett unberührt davon; und zwar nicht nur unberührt von Computer und Internet, sondern auch von Fernsehen, Radio, Zeitung oder sonstigen Medien (das gibt es natürlich in Nigeria, aber im Dorf spielt das absolut keine Rolle). Als ich „Awo Omamma“ oder „Chimela e.V.“ bei Google eingab und sie die Einträge und Bilder sahen, platzten beinahe ihre Köpfe. Ich erläuterte ihnen sowohl Vorteile, als auch Nachteile vom Internet. Sie lauschten sehr aufmerksam und erkannten schnell, dass es ein wunderbares Medium darstellen kann, um sich selbst zu bilden. Dann überließ ich ihnen den Laptop und schaute, was passiert. Es wurden Suchanfragen gestellt, wie beispielsweise „Wie viele Menschen leben in Nigeria?“, „Wer ist der reichste Mensch Nigerias?“ oder – mein persönlicher Favorit – „Wer war die erste weibliche nigerianische Pilotin?“. Besonders die Antwort auf die erste Frage war urkomisch, denn zu erfahren, dass knapp 200 Millionen Leute im eigenen Land leben, wenn man über seinen Mikrokosmos von ein paar hundert Leuten noch nie hinweg geschaut hat, ist sicherlich ein Schock. Außerdem wurde Solitär und sogar Schach gespielt, was innerhalb weniger Minuten verstanden wurde. Nach zwei Stunden kam Chime wieder, wir aßen zusammen zu Mittag, machten uns auf den Heimweg und schon war der Tag wieder um.

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Gestern machten wir uns schon sehr früh auf ins Dorf, so dass wir bereits um 9:30Uhr dort waren. Die Stimmung war herrlich, denn es gab endlich wieder Arbeit und somit auch Geld. Doch eine Sache brachte mich besonders zum Strahlen: es sah aus, wie geleckt!! Ich kämpfe hier wirklich seit meiner Ankunft gegen diesen verfluchten Müll an und nachdem ich mir letzten Samstag eine neue Herangehensweise ausgedachte hatte, schien diese so richtig zu fruchten. Dies geschah nach drei einfachen Fragen

1. Was glaub ihr, ist Gottes größte Schöpfung? -> Unser Planet und das Leben darauf.
2. Ihr glaubt doch sehr feste an Gott und liebt ihn über alles, oder? -> Ja.
3. Wieso respektiert ihr dann nicht seine größte Schöpfung?

Die letzte Frage wurde lediglich mit verwirrten Blicken beantwortet, in denen ich die gewünschte Deduktion stattfinden sah, die die Verbindung herstellen sollte. Ich fügte dem nichts mehr hinzu und wartete, ob ich diesmal ein Resultat erkennen würde. Und siehe da .. kein Stück Plastik, keine Flaschen und sogar der Sand wurde sauber gefegt!

Anschließend zogen wir sehr diszipliniert die fünf Stunden Unterricht durch. Erst zwei Stunden die Kleinen, dann drei Stunden die Großen. Ich genieße es nach wie vor sehr, wie die Kids an meinen Lippen kleben. Umso vorsichtiger und bedachter muss ich natürlich meine Worte wählen, denn ich könnte ihnen einen Staubsauger in der Sahara verkaufen. Zwischenzeitlich hörte ich Trommeln in der Ferne, die immer näher kamen. Es handelte sich dabei um eine Gruppe von Kindern, die einen traditionellen Tanz einstudierten, um damit durch die Gegen zu ziehen und sich ein wenig Kleingeld für Weihnachten zu verdienen. Das war natürlich zuckersüß und auch von uns gab es eine Kleinigkeit.

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Leider konnten wir am Ende des Unterrichts keine Musik zusammen machen, da ich vorgestern mit Entsetzen feststellen musste, dass der Hals der Gitarre gebrochen war. Es sieht nicht so aus, als könnte man es reparieren, was sehr bitter ist. Mal schauen, ob ich am Ende noch ein bisschen Kohle über habe, um eine neue zu kaufen (die dann wahrscheinlich auch nach zwei Wochen kaputt geht).

Pünktlich bei Ende des Unterrichts kam Chimezie mit einem Pickup vorgefahren, der bereits die gestern bestellten Türen und die Türzargen geladen hatte. Am Montag folgen dann die Fenster und es wird alles in einem Rutsch montiert. Ist das erfolgt, ist das Erdgeschoss offiziell dicht! Wir ließen den Tag bei einem verdienten Bierchen ausklingen und ich hatte sogar noch genügend Datenvolumen, um die Bundesliga im Internetradio zu verfolgen. Mit diesen wundervollen Neuigkeiten entlasse ich euch jetzt in den Sonntag. Ich mach mir dann mal den zehnten Kamillentee am heutigen Tage.

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P.S.: Es gibt noch mehr gute Nachrichten. Lucky hat auf die Behandlung wunderbar reagiert und die Infektion ist bereits vollständig abgeklungen.

Tag 43: ..und es ward Licht!

Dec 132018

Ich habe also tatsächlich drei Nächte in einem Kloster verbracht. Als wir am Montag ankamen und wir direkt eingeladen wurden, an der Abendlesung teilzunehmen, war mir zunächst etwas mulmig. Vor meiner Ankunft hatte ich mir aber als Ziel gesetzt, alles mitzumachen, was man in einem Kloster halt so macht. Ich zögerte also nicht, mich in die kleine Kapelle des Haupthauses zu begeben. Diese ist nur für die Leute, die auch dort wohnen, weswegen man immer nur zu sechst oder acht war. Meine Festigkeit in Sachen Bibel ließ natürlich etwas zu wünschen übrig und die Tatsache, dass es ein katholisches Kloster ist (ich bin evangelisch) und die Lesung auf Englisch war, machte es nicht gerade einfacher. Dennoch fand ich mich über die Tage hinweg immer besser zurecht, sang fleißig mit und las auch mal ein paar Zeilen aus der Bibel vor.

Jeder Tag hatte eine feste Struktur, die wie folgt aussah:

6:00Uhr: Gottesdienst
7:00Uhr: Lesung
7:30Uhr: Frühstück
12:30Uhr: Mittagessen mit anschließender Mittagspause
17:00Uhr: Gottesdienst
19:00Uhr: Lesung
19:30Uhr: Abendessen
20:00Uhr: Lichter aus

Zwischen den Zeiten waren alle, aber besonders die Priester, immer recht viel unterwegs. Sie rotieren unter anderem durch den gesamten Bezirk und stellen sicher, dass selbst die Menschen, die in der hintersten Ecke leben, Zugang zu Kirche haben. So war es diese Woche Reverend Malachys Aufgabe, Tag für Tag durch die Gemeinde zu fahren und Gottesdienste zu halten; und am Mittwochmorgen nahm er mich mit.

Um 5:30Uhr – ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so früh aufgestanden bin – saßen wir bereits im Auto und fuhren in den tiefsten Slum im Anambra-State. Als das Auto anhielt, standen wir vor einer alten Lagerhalle, in der sich bereits eine große Menschenmasse versammelt hatte. Die Halle war ausgestattet mit jeglichen Sitzmöglichkeiten, die man irgendwie finden konnte, und einem provisorischen Altar. Die spartanische Ausstattung machte allerdings niemandem etwas und sobald der Reverend zu reden anfing, wurde die Halle schlagartig mit Leben gefüllt. In seiner Rede stellte er mich vor und ich wurde herzlich von der Gemeinde begrüßt. Nach der Messe nahm Malachy den Leuten noch die Beichte ab, was eine ganze Zeit dauerte. Ich nahm mir die Zeit, um alles genau zu beobachten. So legten sich Leute beispielsweise weinend vor den leeren Altar auf den Boden und versuchten, in Gott Zuflucht zu finden. Kinder knieten nieder mit ausgestreckten Armen und geschlossenen Augen, um ihre Gebete loszuwerden. Ein sehr bewegendes Bild, was mich aber schon nicht mehr so schockt, wie am Anfang meines Aufenthaltes. Nach der Beichte starteten der Reverend und ich einen kleinen Road Trip, auf dem wir zu seiner geliebten ABBA-CD lautstark mitsangen.

Am meisten genossen habe ich sicherlich das tägliche Abendessen, bei dem sich die derzeitigen vier Priester des Hauses und ihre Azubis an einem Tisch einfanden und den Tag reflektierten. Die Priester waren vollkommen normale Leute, die immer für einen Spaß, aber auch für interessante Unterhaltungen gut waren. Einziges Manko war, dass sie die Eigenart besaßen, mich und Deutschland besser kennen zu wollen, als ich selbst. Wir eckten also einige Male aneinander, was dem Diskurs aber natürlich förderlich war und am Ende wurde ohnehin immer alles mit Humor genommen. Bei gegebenem Anlass erwähnte ich natürlich auch unser Projekt und bat um Ideen, wie wir es noch weiter voranbringen könnten. Komischerweise stieß ich aber auf taube Ohren. Es könnte etwas damit zu tun haben, dass sie sich schon um genug Leute kümmern müssen und Awo-Omamma auch nicht in deren Zuständigkeitsbereich fällt. Dabei wollte ich es dann auch belassen, um niemandem zur Last zu fallen.

Generell erschloss sich mir der Sinn von Religion im Allgemeinen noch nie so sehr, wie in der letzten Zeit. Sie gibt dem Hoffnungslosen ein Licht am Ende des Tunnels, dem Planlosen eine Struktur, dem Überforderten einen Moment der Ruhe und des Friedens und dem Trauernden einen Grund zum Feiern. Ich gehe sogar so weit, zu sagen, dass ein solcher Glaube ein Stück weit beneidenswert ist. Ich habe eine tiefe Einsicht in deren Welt genossen und auch, wenn ich Gott keinen Schritt nähergekommen bin, habe ich sehr viel Wissenswertes über ihn und seine Leute gelernt.

Hier noch ein paar Bilder:

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Das Haupthaus und Reverend Malachy (diese Bilder kennt ihr schon): 

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Tag 39

Dec 092018

Nein, ich bin nicht erst jetzt in Owerri angekommen. Die Busfahrt am Freitag ging doch recht zügig, da der Fahrer ein Rennen gegen sich selbst zu fahren schien. Sie glich einer Achterbahnfahrt über Stock und Stein, durch tiefste Wälder und vergessenen Siedlungen. Von einer beeindruckenden Flora bis hin zu hungernden Kindern am Straßenrand war mal wieder alles dabei. Die Straßen waren extrem voll und so voller Staub und dunkler Abgase, dass man zwischendurch keine 50 Meter weit gucken konnte. Oft sieht man etliche Hütten entlang der Straße, die aus Holz, Blech und Sonnenschirmen zusammengenagelt wurden und vom Staub der Straße eingehüllt sind. Die Menschen leben dort vermehrt mit Atemschutzmasken. Hatte man bei der Durchfahrt dieser Zonen die Fenster unten, hatten selbst wir Schwierigkeiten vernünftig zu atmen. Hier ein paar Bilder:

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Gestern war ich dann wieder bei unserem Projekt in Awo-Omamma und, wie eigentlich jeden Samstag, war auch dieser wieder sehr turbulent. Direkt nach meiner Ankunft begrüßte ich natürlich erstmal alle. Unter den Kindern war auch Lucky, ein Junge, der zu den von unserem Projekt direkt finanzierten Waisen gehört. Ich sah gleich, dass sich auf seinem Kopf eine ziemlich üble Infektion ausgebreitet hatte. Keiner wusste so wirklich damit umzugehen und es wurde scheinbar tagelang ignoriert, was mich natürlich auf 180 brachte. Da noch 30 andere Kinder vor mir standen, ließ ich die anderen wissen, dass wir an dem Tag früher Schluss machen, damit ich danach mit Lucky ins Krankenhaus fahren kann.

Mit einem mächtigen Kloß im Hals machte ich drei Stunden Unterricht. Mittlerweile distanziere ich mich von tieferen Englisch- und Mathematikinhalten. Die absoluten Basics sitzen ohnehin schon recht gut und ich nutze die verbleibende Zeit nun lieber, um über allgemeine Themen, wie beispielsweise Hygiene, Nahrung, Müll, Verhütung, Mobbing oder Diskriminierung zu sprechen. Die Einheit machte den Kids großen Spaß und am Ende gab’s natürlich wieder ein wenig Musik.

Anschließend schnappte ich mir dann endlich Lucky und fuhr ins nächstgelegene Krankenhaus. Ich dachte erst, wir fahren ins Community Hospital, in dem ich vor drei-vier Wochen bereits das Neugeborene unseres Wachmannes besucht hatte. Dem war aber nicht so und als wir ankamen, war ich erstmal schockiert. Dass sich so etwas in der heutigen Zeit irgendwo auf diesem Planeten noch Krankenhaus nennen darf, konnte ich einfach nicht glauben. Wir standen vor einer komplett heruntergekommenen Hütte mit völlig überfüllten Krankenzimmern. Kein Licht, alles voll mit Müll und Schutt. Etwa zehn Krankenschwester nahmen uns immerhin sehr nett auf und holten den einen Arzt des Hauses zurück, der bereits im Auto saß, um den Heimweg anzutreten. Er behandelte Lucky prompt und konnte schnell eine Diagnose stellen. An sich handelt es sich um nichts wirklich Schlimmes, aber das Ausmaß der Infektion war verheerend. Täglich eine Spritze über sieben Tage, eine Creme sowie spezielles Shampoo sollten die Sache aber in einem Monat wieder richten. Krankenversicherung gibt es hier natürlich nicht, also musste alles in Cash bezahlt werden. Das soll für mich aber okay sein, solange die Behandlung anschlägt und es unserem kleinen Lucky bald besser geht.

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Zurück am Waisenhaus hörte ich gleich großes Geschrei. Es wurde mal wieder über Banalitäten gestritten und die Fetzen flogen dieses Mal echt ordentlich. Ich konnte die Leute beruhigen und ihnen gut zu reden, da ich weiß, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis das ganze gesammelte Geld aus Deutschland kommt. Auch das zerrte aber ordentlich an meinen Nerven und als ich gegen 16:30Uhr das Auto für die Heimreise betrat, merkte ich erst, wie fertig ich war.

Am Abend nahm mich die ganze Situation zum ersten Mal so richtig mit, was mich doch sehr mit meinen Emotionen kämpfen ließ. Die Bilder von heute und alles, was ich im letzten Monat gesehen und erlebt hatte, schien auf einmal auf mich niederzuprasseln. Hinzu kam, dass ich in schwachen Momenten den ganzen Sinn und Zweck meines Vorhabens in diesem Dorf in Frage stelle. Ich habe oft das Gefühl, als sei ich für die Leute hier nur eine erfrischende Abwechslung. Jemand, der mal eben Geld bringt, das Leben temporär ein Stück besser macht und dann wieder verschwindet. Das mag ja auch ein stückweit so sein, aber wann immer ich mit den Leuten im Waisenhaus ernsthaft über Pläne in der Zukunft spreche, um die Umstände zu verbessern, stoße ich auf Ignoranz. Ich nehme das niemandem übel. Das Leben hier lehrt den Leuten halt, über das Jetzt nachzudenken. „Wie komme ich JETZT an Geld, damit ich JETZT etwas zu Essen habe?“ Diese Situation hält viele davon ab, langfristig zu denken, um an der Gesamtsituation etwas zu verbessern. Für mich, der eben langfristig eine Lösung finden möchte, ist das aber unglaublich frustrierend, denn so werden sie diesen Teufelskreis einfach niemals durchbrechen können.

Naja, die paar Stunden habe ich mir gestern mal gegönnt. Heute sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Morgen werde ich übrigens zurück nach Anambra-State in das Kloster, um erneut Reverant Malachy zu besuchen. Dieses Mal werde ich einige Tage bleiben. Er ist der nächste auf meiner Liste, der davon überzeugt werden muss, dass wir auch aus Nigeria selbst Hilfe für das Waisenhaus brauchen.

Tag 36

Dec 062018

Morgen früh ist der Urlaub bei Dr. D.V.C. (David Valentine Chuckwudi) Obi auch schon wieder vorbei. Er selbst ist heute Morgen nach Lagos geflogen, um dann heute Abend weiter nach Abuja und Samstagmorgen wieder zurück nach Enugu zu fliegen – und das im zarten Alter von 81 Jahren. Ich habe so einen Menschen noch nie kennengelernt. Es scheint so, als hätte er über diese 81 Jahre nichts anderes getan, als aus seinem Leben ein nahezu perfektionistisches Laufwerk zu formen, was dem einer Schweizer Taschenuhr gleicht. Alles und jeder um ihn herum kennt jeden seiner Abläufe und ist ihm meistens schon einen Schritt voraus. Das bedeutet aber nicht, dass er jeden Tag unter Vollstrom steht, eher das Gegenteil ist der Fall. Genau dieser Perfektionismus erlaubt ihm, sich voll und ganz zu entspannen und sich in die Hände seiner Bediensteten fallen zu lassen. Er nimmt sich Zeit, für die Dinge, die ihm wichtig sind. So sitzen wir teilweise bis 12Uhr in unseren Nachthemden am Frühstückstisch und er hat es nach nur drei Tagen geschafft, auch mich in dieses System einzubauen. Genug davon, was treibe ich so in Enugu?

Zunächst verbringe ich sehr viel Zeit auf dem Fabrikgelände seiner Firma, „DVC Plastics Ltd.“. Das ist mal mehr und mal weniger spannend. Jedoch habe ich schon einige Zeit in Fabriken verbracht, um mir neben dem Studium etwas Geld dazu zu verdienen und konnte somit mit vielen Dingen etwas anfangen und war sehr interessiert, wie solche Dinge hier wohl aussehen würden. Die Unterschiede sind gravierend, besonders natürlich, was Hygiene und Sicherheit angeht. So sucht man Gehörschutz oder Atemschutzmasken natürlich vergebens. Die Arbeiter stehen teilweise in Sporthose und Sandalen an den schweren Maschinen. Die 24 Stunden des Tages sind hier auch nicht in drei Schichten, wie bei uns, sondern in nur zwei Schichten eingeteilt. Das ist schon harter Tobak, hier aber pure Normalität und was soll ich sagen? Die Leute sind glücklich. Viele von ihnen sind Kids von der Straße, denen der Doc Arbeit und Obdach gegeben hat, was auch der Hauptgrund ist, weswegen er sich noch nicht zur Ruhe gesetzt hat. Mit gerechtem Stundenlohnt, Bonuszahlungen, Pausen und täglichem Mittagsessen für lau gehört er definitiv zu den besseren Arbeitsgebern. Volle zwei Wochen Weihnachtsurlaub gibt es oben drauf. Geschenkt wird aber niemandem irgendwas. Seine Großzügigkeit verlangt im Gegenzug eiserne Disziplin und eine dritte Chance gibt es selten bis nie.

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Vorgestern wurden wir, also Chimezie und ich, vier Stunden lang mit einem Keke durch Enugu kutschiert. Die Infrastruktur ist der des Imo-State meilenweit voraus. Allein die Straßen sind fast wie in Deutschland. Es gibt Markierungen, Schilder und sogar Ampeln, die den Verkehr hier einigermaßen geregelt aussehen lassen. Zudem sind Restaurants, Hotels, Supermärkte, Krankenhäuser etc. hier sehr modern. Die Stadt ist komplett umrundet von Gebirgen, was das Klima super angenehm macht. Tagsüber gibt es mal eine frische Brise, die Luftfeuchtigkeit ist schon fast normal und nachts kühlt es ordentlich ab. Wir sind mit dem Keke rauf auf einen Berg gefahren und konnten über die ganze Stadt schauen, was ziemlich beeindruckend war. Sogar ein Abstecher in das Fußballstadion der Enugu Rangers war dabei und ein Shoprite, auf dessen Gelände diese Woche übrigens ein Bierfest stattfindet, darf natürlich auch nicht fehlen. Hier sieht man, was für einen Einfluss der Grad der Korruption der Politiker auf die individuelle Entwicklung eines Bundesstaates hat. Die Leute hier fluchen zwar auch viel über den Gouverneur ihrer Regierung, scheinen aber doch weitaus mehr vom wirtschaftlichen Erfolg des Staates abzubekommen, als beispielsweise jene im Imo-State, welcher einer der am schlechtesten geführten Staaten des Landes ist. Stellt euch einfach vor, es wäre 20 Jahre früher und ihr würdet vom Westen Deutschlands in den Osten fahren.

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Gestern Abend wurde es ein wenig makaber. Der Doc wollte mich unbedingt in ein so genanntes „Point and Kill“-Restaurant mitnehmen. Es handelt sich dabei um ein Fisch-Restaurant, in dem, wie der Name schon vermuten lässt, man auf einen lebendigen Fisch zeigt, welcher dann für einen getötet und nach Wunsch zubereitet wird. Die Haltung der Fische war natürlich recht grenzwertig. Als selbst ernannter Teilzeit-Vegetarier ist das hier mit dem Fleisch eh schon so ‘ne Sache für mich. Ich bemühe mich schon sehr, alles zumindest zu probieren, was man mir vorsetzt. Besonders beim Fleisch enttäusche ich die Leute aber oft, in dem ich passe und um das Fleisch herum esse. Das liegt aber auch daran, dass ich sehe, wie das Zeug auf den Märkten verarbeitet wird und mir der Appetit im Vorhinein schon lange vergangen ist. Der Doc wählte also für die sechs Personen drei riesen Welse und „Pepper Soup“ als Zubereitungsart aus. Eine gute Dreiviertelstunde später kamen dann drei große Töpfe, in denen jeweils der in Stücke geschnittene Wels in roter Pfeffersuppe schwamm. Die Kellnerin verteilte alles auf die Teller und ich betete, dass ich keinen Kopf erwische, was auch erhört wurde. Die Suppe war tatsächlich nicht schlecht, bei dem Fisch musste ich mich aber ein-zwei Male echt zusammenreißen, dass es mir nicht gleich wieder hochkommt. Aber, wie meine Mutter mich lehrte, wird gegessen, was auf den Tisch kommt; und das tat ich auch.

Morgen früh geht es dann mit dem Bus zurück nach Owerri. Es wird das erste Mal sein, dass ich mit dem Bus eine Überlandfahrt unternehme. Auf der Hinfahrt haben wir mit einem schnellen Auto schon vier Stunden gebraucht, also kann ich wahrscheinlich froh sein, wenn ich vor Sonntag ankomme.

 

P.S.: Lieber Dirk (Klein-Bolting), liebe Lisa Süper, vielen Dank für eure Spende in Höhe von 60€!

Tag 33: Die zweite Runde Dank

Dec 032018

Was ich hier die Woche so erlebe, fasse ich die Tage mal zusammen. Es hat eher was von Urlaub, daher also weniger spannend.

Ich möchte diesen Eintrag aber nutzen, um wieder mal ein paar Leuten zu danken:

1. Meiner Schwester Elena für die 12€ Beitrag.

2. Diana Greiner ebenfalls für die 12€ Beitrag

3. Meiner Mutter Tina für die zusätzliche 50€ Spende und

4. Norbert und Ingeborg für die 30€ Spende.

Danke danke danke!