Yannicks Blog

Tag 3

Nov 012018

Eines kann ich euch sagen Freunde, ich habe in den letzten zwei Tagen mit Sicherheit mehr Obst gegessen, als im gesamten 21. Jahrhundert zusammen. Wofür wir in deutschen Supermärkten viel Geld bezahlen, um „Bio“ zu bekommen, ist hier absoluter Standard. Die Früchte kommen von den Plantagen außerhalb der Stadt jeden Tag frisch auf die Straßen und sorgen dafür, dass ich mich mehrmals täglich wie im Schlaraffenland fühle. Fünf bis zehn Orangen täglich gehen locker weg, dazu noch ein paar Bananen, Kokosnuss oder Ananas. Was das angeht, leben die Leute hier einfach wahnsinnig gesund. Chips oder Süßigkeiten sucht man vergebens, dafür aber frische, unbehandelte Erdnüsse und Cashews. Das bockt einfach total sag‘ ich euch!

Nachdem die letzte Nacht von Mücken und dröhnenden Lautsprechern der benachbarten Moschee durchzogen war, bin ich heute ein wenig verkalkt in den Tag gestartet. Es gibt aber keine noch so schlimme Nacht, die sich nicht mit einem guten Frühstück wettmachen lässt. Dafür war dank der wunderbaren Leute hier natürlich wieder mal gesorgt. Währenddessen hatte ich das Privileg, einen weiteren von Chimezies Brüdern, Augustin, kennenzulernen. Anschließend machten wir uns einen schönen, entspannten Morgen und ich fing langsam an, die gespendeten Computer einzurichten, was mir die Entscheidung, mein ehemaliges – sehr Informatik lastiges – Studium abzubrechen, einmal mehr bestätigte.

Als ich schlussendlich genug hatte, entschieden wir uns, Augustin auf seiner Arbeit zu besuchen. Dieser repariert Stoßstangen auf phänomenale Art und Weise auf einem der größten Märkte für Autoteile in Nigeria. Was da abging, war echt nicht mehr von dieser Welt und definitiv eines der krassesten Dinge, die ich bis jetzt erleben durfte. Es handelt sich dabei um einen ca. 1km langen Abschnitt mitten am Express-Way, an dem einfach nur die Hölle los ist. Tausende von Menschen, Millionen von Autoteilen aus den hochgestapelten, ausgeschlachteten Autos, flackernde Schweißgeräte mitten auf der Straße .. alles dreht sich um das ganz schnelle Geld.
Wir setzten uns für ca. eine Stunde an den Stand von Augustins Crew und beobachteten das Geschehen. Immer mehr Leute gesellten sich dazu, da sich wohl extrem selten ein Weißer in dieses Gebiet verirrt. Trotz der geschäftigen Atmosphäre nahm die Crew sich immer wieder die Zeit, sich in die Runde zu setzen, zu reden und die ein oder andere Tüte zu rauchen. Keine Sorge Mama, ich habe natürlich die Finger davon gelassen!

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Das war schon eine wahnsinnig interessante Erfahrung, nur zu übertreffen von dem Hin- und Rückweg. Auf dem Hinweg liefen Chime und ich so die Straße runter, als er plötzlich auf eines von diesen Motorrädern zeigte, die wie Selbstmordkommandos durch die Straßen ballern, und verlangte, dass ich mit ihm zusammen aufsteige. Wir saßen also inklusive Fahrer zu dritt auf dem Ding. Lasst mich euch ein Bild malen: Stellt euch vor, wie ein 1,90m großer Weißer und ein 110kg schwerer Schwarzer sich hinten auf ein klapperndes und quietschendes Moped aus den 80ern schwingen und durch die Straßen von Lagos knallen. Die Federung am Anschlag, so dass jede Bodenwelle – davon gibt’s hier ja wohl ein paar – mich erneut entjungferte. Am Straßenrand standen die Leute, schossen Fotos und zollten unserem Fahrer wohl Respekt.

Auf dem Rückweg entschlossen wir uns, eine andere Reisemethode zu wählen, nämlich ein Keke (siehe Foto). Dieses Mal saßen wir beide auf der Rückbank und der Fahrer vor uns, was eine deutlich komfortablere Fahrt darstellte. Da die Jungs mit den Dingern wie die geisteskranken über Stock und Stein ballern und sich aus entgegenkommenden Autos einen Slalomparcours machen, wird wohl jeglicher Freizeitpark hoffnungslos dagegen abstinken. Das Ding ist, das man den Jungs halt irgendwie vertraut; ich weiß nicht, wie, aber irgendwie funktioniert das mit dem Verkehr hier halt. Es gibt zwar hier und da ein paar Rempler, aber man sieht keine schwerwiegenden Unfälle.

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(Ein Video aus dem Keke folgt, sobald wir dahintergestiegen sind, wie man das mit dem Hochladen funktioniert)