Yannicks Blog

Tag 17

Nov 152018

Heute wäre Tag Nummer 3 ohne Post gewesen und zack, gabs heute Morgen eine ordentliche Portion Strom. Na ein Glück, dass ich mein Versprechen wieder mal halten kann!

Die letzten drei Tage waren sehr turbulent und es hat sich einiges getan (nicht so viel, wie ich gerne hätte, aber das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert). Ich werde daher einfach mal grob zusammenfassen, was passiert war und nicht auf jeden Marktbesuch einzeln eingehen, denn davon habe ich drei bis fünf täglich.

Im letzten Post hatte ich bereits angedeutet, dass das mit der Beschaffung der Materialien hier alles nicht so einfach ist – und da wir bei null anfangen, müssen wir logischerweise eine ganze Menge besorgen. Dies sollte die letzten Tage immer wieder eine echte Hürde darstellen, da der Kram einerseits einfach zu teuer ist und uns andererseits zurzeit weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, als gedacht, nämlich gar keine. Das ist übrigens auch der Grund, wieso wir mal wieder einen Baustopp ausrufen mussten, was natürlich unfassbar frustrierend ist. Gestern war allerdings ein sehr produktiver Tag und schließlich konnten wir alles, was wir für den Unterrichtsstart am Samstag brauchen, entweder kaufen oder zu – hoffentlich – Freitag bestellen.

Zu diesen Querelen kam noch hinzu, dass durch das Fehlen von Geld die Gemüter vor Ort ein wenig erhitzten. Das führte wiederum dazu, dass es ein paar hitzige Diskussionen über Dinge gab, mit denen ich einfach nicht einverstanden war. So gab es besonders im Zeit- und Geldmanagement große Diskrepanzen, die ich ansprechen wollte und auch getan habe. Wir konnten aber an allem arbeiten und gute Kompromisse finden, deren Umsetzung ich bereits heute gespürt habe. Ebenso finde ich nicht okay, dass die Leute hier ständig alles für mich bezahlen wollen. Die Gastfreundschaft in allen Ehren, aber ich möchte nicht einsehen, dass Leute aus tiefster Armut Tag für Tag das Essen für mich bezahlen und selbst vor einem leeren Tisch sitzen. Auch das hat sich seit heute geändert und ich bin mir ziemlich sicher, dass eigentlich alle damit einverstanden sind, wenn ich auch mal das Essen bezahle. Im Vergleich: in Deutschland gehe ich an manchen Tagen vor der Arbeit zum Bäcker, in der Mittagspause zum Imbiss um die Ecke, hole mir zwischenzeitlich noch einen Cappuccino und hole mir abends auch noch irgendwo einen Snack. Da sind gut und gerne mal um die 20Euro verpulvert, weil ich manchmal einfach gerne von der Hand in den Mund lebe. Vorhin habe ich Essen für acht Erwachsene und zehn Kinder gekauft. 'Nuff said!

Es kann sich natürlich nicht 24/7 alles um das Projekt drehen. Ich lerne also zwischenzeitlich dutzende neue Leute kennen, die immer Oma, Opa, Tante, Onkel, Mutter, Vater, Kinder oder sonstige Familienangehörige von irgendwem anders sind, dessen Namen ich leider längst wieder vergessen habe. Es sind einfach zu viele. Jeder will jedem den Onyeocha vorstellen, denn sehr viele hier haben zuvor wirklich noch nie einen weißen Menschen gehen. Jeder kennt jeden und hat extrem viel Liebe für alle über. Davon könnte sich so mancher Deutsche mal eine gehörige Scheibe abschneiden. Man erfährt hier Dinge nicht über Lästereien oder die Gerüchteküche, sondern im aufrichtigen Informationsaustausch miteinander, in dem das Interesse nicht nur geheuchelt wird. Auf die Frage "Wie geht's?" antwortet man nicht, wie bei uns, im Vorbeigehen mit der Gegenfrage "Wie geht's?", sondern man bleibt stehen und nimmt sich Zeit füreinander. Mir selbst wäre das wahrscheinlich auch zu viel des Guten, aber in der Mentalität der Leute hier ist jene aufrichtige Nächstenliebe einfach fest verankert. Darüber hinaus genieße ich es sehr, über die kleinen Pfade durch den Busch zu warten und neue Eindrücke zu sammeln. Außerdem fühlt es sich oft an wie eine Mischung zwischen Märchenwald und Indiana Jones Film. Eigentlich fehlt mir nur der Hut.

Was ist sonst so los? Naja .. ich verlasse morgens das Haus, begrüße die Omi von nebenan, die mich fragt, ob es mit meinem Magen schon besser ginge, gehe durchs Tor und hole mir ein Highfive von den Wächtern ab, gehe die Straße runter am Kiosk meines Vertrauens vorbei, wo mir die drei Verkäuferinnen beinahe im Chor guten Morgen wünschen und anfangen zu kichern, sobald ich ihnen den Rücken zukehre und rufe ein Taxi, was ich mittlerweile genauso gut im Voraus bezahlen könnte, da ich die gängigen Preise bereits verinnerlicht habe. Man könnte also meinen, ich wäre ganz gut hier angekommen. Einziger Ausreißer war die Taxifahrt heute früh ins Dorf, da dem Taxifahrer doch leicht die Kontrolle über das Auto flöten ging, nachdem uns auf der Schnellstraße mal eben die Hinterachse um die Ohren flog. Viele werden es nicht nachvollziehen können, aber ich finde es nach wie vor absolut geil, mich hier im Verkehr fortzubewegen.

Die Mädels aus der Nachbarschaft:

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Eine Sache möchte ich noch loswerden. Die Zahl der Leser dieses Blogs beläuft sich mittlerweile auf um die 100 und ich bekomme beinahe täglich positives Feedback. Mit solchen Ausmaßen hatte ich zuvor nicht gerechnet, was mich natürlich sehr rührt und auch stolz macht. Ich hoffe, ich kann euch mit meinen Eindrücken etwas erreichen und den ein oder anderen sogar dazu bewegen, Teil von diesem unglaublichen Projekt zu werden, dessen Potential ebenso unerschöpflich ist, wie unsere Filicia. Vielen Dank an alle!

Lieben Gruß

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