Yannicks Blog

Tag 22

Nov 202018

Vorweg möchte ich gerne Axel Roll von den Westfälischen Nachrichten danken, der unser Projekt und meine derzeitige Reise begleitet und dafür sorgt, dass wir auch in der Presse regelmäßig vertreten sind. Seine Situation in Deutschland scheint derzeit weitaus gefährlicher zu sein, als die meine in Nigeria, da meine Oma Wind davon bekam, wie ich öffentlich als Borghorster betitelt wurde. Falls du das hier liest Oma: es ist alles gut! Es war so abgesprochen! (Ich kann dir ja ein paar von meinen Wachen abgeben, Axel)

Heute war ein recht skurriler Tag. Ich bin mir nicht sicher, ob es an mir lag, aber heute war der erste Tag, an dem mir Personen mit einer gewissen Feindseligkeit begegneten – und das nicht nur in einer Situation.

Es fing damit an, dass uns mein Wunsch nach einer Gitarre quer durch die Stadt zum „New Market“ führte. Ich kann scheinbar nicht ohne und begab mich auf die Suche nach etwas Einfachem, was meine Sucht zu stillen vermag und nach meiner Abreise den Kindern im Dorf sogar noch eine kleine Freude bereitet. Nach langer Fahrt bogen wir in eine recht zwielichtige, kleine Gasse ein, in der sich, im Gegensatz zu den anderen Märkten, nicht alles um Essen, sondern um Autoteile und Technik drehte. Die Atmosphäre war eher düster und die Leute schienen geschlossener und zurückhaltender zu sein, als sonst. Der Ort war geprägt vom extremen Elend, das mir in Form von im Schlamm schlafenden Kleinkindern, Bergen von toten Tieren und Müll und verkrüppelten Menschen, die ihre Gliedmaßen wohl in den Maschinen verloren, nahezu ins Gesicht sprang. Die Blicke sprachen nicht wie gewöhnlich „herzlichen willkommen“, sondern eher „sieh gut hin, wie wir hier leben“. Seit meiner Ankunft habe ich tatsächlicher schlimmere Sachen gesehen, aber an diesem Ort schien die Hoffnungslosigkeit besonders präsent zu sein. Das Taxi fuhr durch die schmalen Gassen, bis wir schließlich an einer Art Lagerverkauf für Instrumente hielten. Mit einem gewissen Unwohlsein stieg ich aus, stellte aber gleich fest, dass alles halb so wild war. Ich spürte durchaus böse Blicke im Nacken, konnte damit aber recht gut umgehen und betrat also den Laden. Hier wurde ich dann wieder sehr herzlich empfangen und ich klimperte gleich ein wenig auf der einzig vorhandenen Akustikgitarre vor mich hin. Nach ordentlichen Verhandlungen hatte ich schließlich 34€ weniger in der Geldbörse und konnte sie mein Eigen nennen.

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Nach diesem Ausflug machten Ada und ich uns auf den Weg zum nächsten Meet & Greet. Jeder hier möchte mich allen vorstellen und mir stolz zeigen, wie sie leben und was sie tun. So wollte auch sie mir ihre Schule zeigen und mir ihren Lehrer vorstellen. Als wir dann in einen kleinen Stau gerieten, machte ich – auf der Suche nach Frischluft – den Fehler, mein Fenster runter zu kurbeln und einem kleinen Mädchen freundlich zuzunicken. Ich beachtete nicht, dass der Sonnenschirm, unter dem sie saß, das zu Hause einer obdachlosen Großfamilie zu sein schien. Prompt kam eine riesen Meute auf unser Taxi zu gerannt und bettelte nach Geld. Sie waren die ersten, die sogar so weit gingen, sich vor das Auto zu stellen und durch das Fenster rein zu greifen. Es artete so weit aus, dass sogar Fahrer und Ada machtlos waren und alle glücklich waren, als sich der Stau löste und wir weiterfahren konnten, ohne jemanden zu verletzen. Wieder erntete ich böse Blicke und fühlte mich echt miserabel.

Kurz darauf sollte die nächste bizarre Situation folgen. Wir fuhren auf einer Schnellstraße und auf diesen ist es üblich, dass alle paar Kilometer sogenannte „Check-Points“ kommen. Dabei handelt es sich um vom Militär bewachte Kontrollen, die in der Regel aber immer recht reibungslos ablaufen. Diese allerdings war ein wenig anders, da wir von einem recht überhitzten Soldaten rausgezogen wurden. Er war sehr aggressiv und verlangte unsere Handys, was ich natürlich verneinte. Seine Kalaschnikow machte mich leicht nervös, da ich mich wohl nie an diese Waffenpräsenz gewöhnen werde. Dennoch lies ich ihn auf höfliche, aber bestimmte Art und Weise wissen, dass er mir gar nichts kann und lieber mal ein paar Fische döppen gehen soll (hier im Blog kann ich ja jetzt ruhig eine große Schnauze haben). Als er mich dann links liegen ließ, nahm er sich Ada vor, die ihm schließlich auch ihr Handy gab. Nach einiger Zeit wurde sie aufgefordert, das Auto zu verlassen, kam aber zwei Minuten später wieder und wir fuhren weiter, als wäre nichts gewesen. Ich habe wirklich keine Ahnung, was da abging!

Als wir an der Schule ankamen, standen wir vor geschlossenen Türen, denn heute war ein nationaler Feiertag. Die Memo hatte Ada wohl nicht bekommen..