Yannicks Blog

Tage 31 & 32

Dec 022018

Ich bin tierisch im Sack Leute, trotzdem möchte ich euch von meinem Wochenende erzählen. Es war eine ganze Menge los, aber ich werde dennoch versuchen, mich möglichst kurz zu halten.

Fangen wir mit gestern, dem Samstag, an. Wie jeden Samstag machten wir uns früh auf den Weg ins Dorf, um mit dem Unterricht für die Kids fortzufahren. Ich wusste aber, dass wir das zunächst hinten anstellen müssen, da ich am Abend vorher erfahren hatte, dass ein paar Leute zur Zeit ein wenig aus der Reihe tanzen. Es ist wohl die Folge davon, dass speziell die letzten beiden Wochen echt nicht gut liefen und regelrechte Verzweiflungstaten mit sich zogen. Was das angeht, bekomme ich hier echt die volle Breitseite ab, was aber auch gut so ist, denn das ist die pure Realität.

Am Haus angekommen, schnappten Chime und ich uns gleich die Verantwortlichen und wir setzen uns zusammen. Etwa eine Stunde redeten wir auf sie ein und ich musste immer wieder die Vermittlerrolle einnehmen, weil es unter den Anwesenden zu eskalieren drohte. Am Ende des Gesprächs haben wir aber eine gute Lösung gefunden und sie glaubten mir, dass bessere Zeiten kommen würden. Da ich weiß, dass zurzeit einige Spenden eingehen und demnächst die Weihnachtsmärkte in Deutschland beginnen, konnte ich sicher sein, dass dies keine leeren Versprechungen sein sollten. Das also so geklärt, konnten wir doch noch ein wenig Unterricht machen.

Es war keine Zeit mehr, die Kinder wie gewohnt in die zwei Gruppen einzuteilen, daher machten wir eine große. Das war okay, da gestern insgesamt nur etwa 25 Kinder anwesend waren. So starteten wir mit einer gepflegten Runde Mathematik. Die Großen arbeiteten weiter fleißig an ihren Prüfungsfragen und die Kleinen addierten ebenso fleißig Äpfel und Orangen. Nach guten 1 ½ Stunden merkte ich, dass sie genug davon hatten und ich ging über zur Musik. Letzten Donnerstag hatte ich ja bereits einigen Kids ein oder zwei Akkorde auf der Gitarre gezeigt, wollte gestern aber einen ganz offiziellen Einstieg in die Welt der Musik machen. Es ging also von Musikinstrumenten über Noten und Tonleitern bis hin zu „Knocking on Heaven’s Door“, was wir zusammen auf der Gitarre einstudierten. Insgesamt trotz allem eine sehr schöne Einheit.

Okay, kommen wir zum heutigen Tage. Ich befinde mich gerade auf einem riesen Anwesen in Enugu, der Hauptstadt vom Enugu-State. Das Anwesen gehört Dr. Obi, dem auch das Anwesen in Lagos gehört und schon öfter in diesem Blog erwähnt wurde. Eine Beerdigung führte ihn dieses Wochenende nach Owerri und wir entschieden spontan, ihn auf seiner Heimreise zu begleiten und ein paar Tage hier zu verbringen.

Da wir ihn heute Morgen nicht erreichen konnten, machten wir uns einfach mal auf den Weg zu dem Hotel, in dem er unterkam – natürlich im besten der Stadt. Ich wusste nicht wirklich, was ich zu erwarten hatte, da ihm sein Ruf weit vorauseilte und er eine echte Legende zu sein schien. Als er uns seine Zimmertür öffnete, war ich aber doch sehr überrascht, denn er war sicher nicht so, wie ich erwartet hatte. Vor mir stand ein 81-jähriger Mann in Flipflops, hellblauer Jeans und weißem Tank-Top, der an Bodenständigkeit kaum zu übertreffen ist. Er kam gerade aus der Dusche und wollte nun das Frühstück zu sich nehmen, was ihm der Zimmerservice zuvor gebracht hatte. Wir setzten uns dazu und er drückte uns beiden jeweils eine Gabel in die Hand, um von seinem Teller mitzuessen. Ich schlug gleich zu, Chime aber schaute mich nur verdutzt an und wartete, bis der „Chief“ fertig war.

Kurze Zeit später kamen zwei seiner Bediensteten dazu, die ungefähr in meinem Alter waren. Gleich fiel mir auf, dass dieser Mann eine unglaublich coole Art hat, mit anderen Menschen umzugehen. Er ist unfassbar witzig und liebenswürdig, weiß aber auch mit einer strengen Hand zu führen. Die Menschen, die ihn umgeben, vergöttern ihn regelrecht, was aber nicht an seinem Vermögen, sondern an Respekt und Hochachtung liegt. Er ist sehr bemüht darum, allen auf gleicher Ebene zu begegnen. Mir schien es so, als hätte er irgendwie alles im Leben gesehen und wäre dadurch einfach unerschütterlich und mit der Welt im Reinen. Wir fragten ihn, ob er nicht Lust hätte, auf dem Weg in Awo-Omamma zu halten und sich unser Projekt anzuschauen, was für ihn keinen Umweg darstellte. Mit Freuden stimmte er zu und es ging los.

Dort angekommen staunten die Leute erstmal nicht schlecht, da wir natürlich in einem mega Schlitten unterwegs waren. Als ich dann aber ausstieg, kam die übliche Meute auf uns zu gerannt und begrüßte uns natürlich wie immer. Ich stellte Dr. Obi vor und wir zeigten im alles, was es zu sehen gibt. Er nahm direkt eine Art Vaterfigur ein und alle Anwesenden waren plötzlich seine Kinder. Er knüpfte sich auch die Troublemaker von gestern vor und verpasste ihnen eine ordentliche Ansage, ließ sie aber gleichzeitig wissen, dass er in Zukunft darauf achten wird, dass etwas Vernünftiges aus ihnen wird. Mich rührte die Situation fast zu Tode und als die Kids dann auch noch ein Lied für uns sangen, während der Doc jedem ein bisschen Weihnachtsgeld in die Hand drückte, war ich komplett am Ende. Ich hoffe, dass er nun gesehen hat, dass diese Leute ebenso Hilfe aus Nigeria selbst brauchen und wir somit auch in Zukunft auf seine Unterstützung zählen können. Dessen bin ich mir aber ziemlich sicher.

Nach weiteren drei Stunden Fahrt waren wir dann endlich in Enugu. Ich lernte sein Anwesen und seine Bediensteten kennen. Wir entspannten ein wenig, aßen zusammen und anschließend fragte ich ihn bei einem kühlen Bierchen über seine Geschichte aus, die übrigens unfassbar interessant ist. Das werde ich aber ein andermal weiter ausführen.

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