Yannicks Blog

Tag 43: ..und es ward Licht!

Dec 132018

Ich habe also tatsächlich drei Nächte in einem Kloster verbracht. Als wir am Montag ankamen und wir direkt eingeladen wurden, an der Abendlesung teilzunehmen, war mir zunächst etwas mulmig. Vor meiner Ankunft hatte ich mir aber als Ziel gesetzt, alles mitzumachen, was man in einem Kloster halt so macht. Ich zögerte also nicht, mich in die kleine Kapelle des Haupthauses zu begeben. Diese ist nur für die Leute, die auch dort wohnen, weswegen man immer nur zu sechst oder acht war. Meine Festigkeit in Sachen Bibel ließ natürlich etwas zu wünschen übrig und die Tatsache, dass es ein katholisches Kloster ist (ich bin evangelisch) und die Lesung auf Englisch war, machte es nicht gerade einfacher. Dennoch fand ich mich über die Tage hinweg immer besser zurecht, sang fleißig mit und las auch mal ein paar Zeilen aus der Bibel vor.

Jeder Tag hatte eine feste Struktur, die wie folgt aussah:

6:00Uhr: Gottesdienst
7:00Uhr: Lesung
7:30Uhr: Frühstück
12:30Uhr: Mittagessen mit anschließender Mittagspause
17:00Uhr: Gottesdienst
19:00Uhr: Lesung
19:30Uhr: Abendessen
20:00Uhr: Lichter aus

Zwischen den Zeiten waren alle, aber besonders die Priester, immer recht viel unterwegs. Sie rotieren unter anderem durch den gesamten Bezirk und stellen sicher, dass selbst die Menschen, die in der hintersten Ecke leben, Zugang zu Kirche haben. So war es diese Woche Reverend Malachys Aufgabe, Tag für Tag durch die Gemeinde zu fahren und Gottesdienste zu halten; und am Mittwochmorgen nahm er mich mit.

Um 5:30Uhr – ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so früh aufgestanden bin – saßen wir bereits im Auto und fuhren in den tiefsten Slum im Anambra-State. Als das Auto anhielt, standen wir vor einer alten Lagerhalle, in der sich bereits eine große Menschenmasse versammelt hatte. Die Halle war ausgestattet mit jeglichen Sitzmöglichkeiten, die man irgendwie finden konnte, und einem provisorischen Altar. Die spartanische Ausstattung machte allerdings niemandem etwas und sobald der Reverend zu reden anfing, wurde die Halle schlagartig mit Leben gefüllt. In seiner Rede stellte er mich vor und ich wurde herzlich von der Gemeinde begrüßt. Nach der Messe nahm Malachy den Leuten noch die Beichte ab, was eine ganze Zeit dauerte. Ich nahm mir die Zeit, um alles genau zu beobachten. So legten sich Leute beispielsweise weinend vor den leeren Altar auf den Boden und versuchten, in Gott Zuflucht zu finden. Kinder knieten nieder mit ausgestreckten Armen und geschlossenen Augen, um ihre Gebete loszuwerden. Ein sehr bewegendes Bild, was mich aber schon nicht mehr so schockt, wie am Anfang meines Aufenthaltes. Nach der Beichte starteten der Reverend und ich einen kleinen Road Trip, auf dem wir zu seiner geliebten ABBA-CD lautstark mitsangen.

Am meisten genossen habe ich sicherlich das tägliche Abendessen, bei dem sich die derzeitigen vier Priester des Hauses und ihre Azubis an einem Tisch einfanden und den Tag reflektierten. Die Priester waren vollkommen normale Leute, die immer für einen Spaß, aber auch für interessante Unterhaltungen gut waren. Einziges Manko war, dass sie die Eigenart besaßen, mich und Deutschland besser kennen zu wollen, als ich selbst. Wir eckten also einige Male aneinander, was dem Diskurs aber natürlich förderlich war und am Ende wurde ohnehin immer alles mit Humor genommen. Bei gegebenem Anlass erwähnte ich natürlich auch unser Projekt und bat um Ideen, wie wir es noch weiter voranbringen könnten. Komischerweise stieß ich aber auf taube Ohren. Es könnte etwas damit zu tun haben, dass sie sich schon um genug Leute kümmern müssen und Awo-Omamma auch nicht in deren Zuständigkeitsbereich fällt. Dabei wollte ich es dann auch belassen, um niemandem zur Last zu fallen.

Generell erschloss sich mir der Sinn von Religion im Allgemeinen noch nie so sehr, wie in der letzten Zeit. Sie gibt dem Hoffnungslosen ein Licht am Ende des Tunnels, dem Planlosen eine Struktur, dem Überforderten einen Moment der Ruhe und des Friedens und dem Trauernden einen Grund zum Feiern. Ich gehe sogar so weit, zu sagen, dass ein solcher Glaube ein Stück weit beneidenswert ist. Ich habe eine tiefe Einsicht in deren Welt genossen und auch, wenn ich Gott keinen Schritt nähergekommen bin, habe ich sehr viel Wissenswertes über ihn und seine Leute gelernt.

Hier noch ein paar Bilder:

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Das Haupthaus und Reverend Malachy (diese Bilder kennt ihr schon): 

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