Yannicks Blog

Tag 57

Dec 272018

Soo, dann lasst mich euch mal von Weihnachten in Nigeria erzählen. Es war nicht das erste Mal, dass ich Weihnachten in einer fremden Kultur feiere, aber das andere Mal war in London und somit nicht viel anders, als bei uns in Deutschland. Hier im Gegensatz liefen die Feiertage schon ein wenig anders ab. Ich starte mal mit unserer großen Feier am 24., denn das war natürlich das Hauptevent für alle Beteiligten.

Gegen 9:00Uhr morgens machten wir uns bereits auf den Weg. Auf diesem mussten wir noch einige Kleinigkeiten erledigen, wie beispielsweise den Gaskocher befüllen und die gekühlten Getränke abzuholen. Als wir im Dorf ankamen, waren die Frauen schon fleißig dabei, das Essen vorzubereiten. Leider war es nicht ganz das Essen, was wir zuvor besprochen hatten und ich war ein wenig enttäuscht. Statt frischem Gemüse und Salat gab es wiedermal ein Reisgericht mit Fleisch, was auch okay war, aber ich wollte halt mal was anderes versuchen. Ich hatte die Verantwortung dafür wohl in die falschen Hände gegeben, wollte aber kein großes Thema draus machen.
Generell hatte ich den ganzen Tag durchgeplant. Kochen, essen, Bescherung und Spiele spielen standen dabei auf der Tagesordnung und es sollte stets das „Zusammen“ im Vordergrund stehen. Schon beim Kochen gab es Streit, gegessen hat irgendwie jeder für sich und auf Spiele hatte niemand Lust. Ich sah schnell, dass der weihnachtliche Spirit so, wie wir ihn kennen, in Nigeria nicht existiert. Zumindest die Bescherung konnte ich in die richtigen Wege leiten. Insgeheim warteten natürlich alle nur darauf, was der weiße Mann so an Geschenken vorbereitet hatte, alles andere war nur Nebensache.

Bereits vor meiner Ankunft hatte sich eine riesige Meute an Kindern vor unserem Haus eingefunden. Als wir alles so aufgebaut hatten, dass wir alles halbwegs kontrolliert über die Bühne bringen konnten, war es bereits 13:00Uhr. Bis dahin hatten sich noch viel mehr Leute dort eingefunden; und alle wollten natürlich etwas abstauben. Ich sah viele Gesichter, die ich zuvor noch nie gesehen hatte, was mir zum Teil gar nicht passte. So machte ich auf jeden Fall deutlich, dass zuerst die, die an meinem Unterricht teilgenommen haben, ein Geschenk kriegen. Wir formierten die Schlange dementsprechend, die mittlerweile aus knapp 60 Kindern bestand.

Ich wollte schon beinahe mit der Bescherung anfangen, da liefen plötzlich einige von meinen Schülern in traditionellen Kleidern ein, um einen für mich einstudierten Tanz vorzuführen. Dies führte zum ersten Mal an diesem Tage dazu, dass ein wenig Weihnachtsstimmung aufkam. Wir hatten großen Spaß daran und auch die Erwachsenen stiegen mit ein. Eine gute halbe Stunde später war es dann so weit. Ich machte Weihnachtslieder an und rief jedes Kind einzeln zu mir, um das Geschenk zu erhalten. Dieses bestand aus einer kleinen Tüte, die mit folgenden Dingen befüllt war: eine Schachtel mit Essen, ein Getränk, ein Heft, Stifte, ein Lollie, eine Orange und entweder eine Uhr oder eine Brille. Von jedem dieser Kinder erhielt ich eine Umarmung, ein „Merry Christmas“ und ein Lächeln über das gesamte Gesicht, was mich sehr rührte und den ganzen Stress der letzten Tage vergessen ließ. Allein für diesen Moment hat sich der ganze Trip nach Nigeria für mich gelohnt. Ich denke auch nicht, dass ich jemals so ein Maß an Glückseligkeit gespürt habe. Gegen Ende wurde es dann doch sehr knapp mit der Menge an Geschenken, aber auch für das letzte Kind konnten wir etwas aus dem Köcher ziehen, also waren alle zufrieden. Nach der Bescherung saß ich mit Chimezie dann mit einem Bierchen vor dem Haus und wir sahen den Kindern dabei zu, wie sie ihre Geschenke auspackten und diese miteinander verglichen. Alle anderen Erwachsenen schmollten vor sich hin, da ich für sie keine Geschenke besorgt hatte, was ich aber von Anfang an deutlich gemacht hatte. All dies prallte aber an mir ab und ich beobachtete weiter die Kids.

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Als wir dann gegen 16:00Uhr genug hatten, machten Chimezie und ich uns auf zu seinem Elternhaus. Ab da war alles einfach nur Entspannung pur, denn an diesem Ort fühle ich mich wohl und geschützt vor dem Stress am Waisenhaus. Ich schlafe zwar in einem Hotel, was ich mir über die Feiertage gegönnt habe, verbringe aber meine Zeit tagsüber mit der Familie und den Freunden von Chimezie, mit denen ich unglaublich gut klarkomme. Auch die beiden Weihnachtsfeiertage verbrachte ich dort und es drehte sich eigentlich alles nur darum, zu entspannen und sich nicht groß vom Haus zu entfernen. Das ist eigentlich auch alles, was Weihnachten hier ausmacht. Eine Möglichkeit, dem Wahnsinn des Alltags für zwei Tage zu entkommen und sich mit seiner Familie in eine Art Vakuum zu begeben, in dem man all seine Sorgen zumindest kurzfristig vergessen kann. Natürlich haben die Leute nicht plötzlich mehr Geld oder Essen, nur, weil Weihnachten ist, aber die entspannte und friedliche Atmosphäre lässt die Leute anders mit ihren Umständen umgehen. Dazu trägt auch bei, dass die Leute eher zum Teilen neigen, also haben selbst die, die sonst nichts haben, immerhin ein bisschen was. Wir machten uns einfach eine entspannte Zeit, tranken mit den Nachbarn ein paar Bierchen und zwischendurch telefonierte ich viel mit meiner Familie, die ich über die Feiertage natürlich besonders vermisste. Nächstes Jahr bin ich dann wieder in Deutschland, versprochen! ;)

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 P.S.: Den neuesten Zeitungsartikel findet ihr nun auch unter den Seiten ("Ein erstes Fazit"). Einmal mehr geht mein Dank dafür an Axel Roll! Außerdem gehen weiterhin Spenden auf unser Konto ein. Auch dafür Dank ich euch allen vielmals!