Yannicks Blog

Tag 1

Oct 312018

Schon so viel geschrieben und die Reise nicht mal richtig begonnen, das ändert sich jetzt..


Aus dem Flieger gestiegen, ersten Polizisten geschmiert, Stempel im Reisepass abgeholt, Gepäck vom Band geschnappt, Zollbeamten geschmiert und schon durfte ich bereits nach einer Stunde den Flughafen verlassen. Die Schiebetür öffnete sich und schon strahlten mir drei Gesichter entgegen, nämlich die von Mary und den beiden Brüdern Chimezie und Ousama, alle drei Teil unseres Chiemela e.V.. Der wahrscheinlich herzlichste Empfang meines Lebens schaffte es, mich ein wenig von den Millionen Menschen, die auf mich zu kamen und auf mich einredeten, und den herumgewedelten Sturmgewehren abzulenken. Der Kulturschock überforderte schnell jegliche meiner Sinne und auch die Tatsache, dass ich bei 30°C immer noch in langer Jogginghose und Hoodie rumlief, machte das ganze nicht besser. Die Rettung nahte in Form unseres Fahrers, der ebenfalls ein Freund der Familie ist und uns zunächst aus dem Trubel herausholte. Schnell noch ein paar Wachposten geschmiert, ging es auch schon los in Richtung Zentrum.

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Kurzer Exkurs:
Das mit dem Schmieren hat für uns Deutsche vielleicht einen eher faden Beigeschmack, ist hier aber gang und gäbe und wurde schnell auch von mir eher als ein Zeichen von gegenseitigem Respekt und Nächstenliebe wahrgenommen.

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Die Autofahrt zum Anwesen von Dr. Obi, bei dem ich die erste Zeit unterkommen darf, war ein kleiner Todesritt, hat aber wahnsinnig Spaß gemacht. Da ich vorher schon in Ländern unterwegs war, in denen auf der Straße die reinste Anarchie herrscht, wusste ich bereits, was ich zu erwarten hatte. Endlich irgendwo angekommen konnten wir erstmal alle ein wenig runterkommen. Die drei am Flughafen standen immerhin auch seit 6Uhr morgens da und warteten auf mich. Ich liege nun im Bett eines kleinen Zimmers im Wohnhaus einer Fabrik von Dr. Obi, einem recht wohlhabenden Nigerianer, der sogar in Stuttgart studiert hat und gut Deutsch spricht. An sich eine normale Wohnung, die man so sicherlich auch in Deutschland finden würde.


Nach dem Relaxen schauten wir uns zusammen die Spenden an, die ich aus Deutschland mitgebracht habe. Die Leute haben sich tierisch gefreut und es hat Spaß gemacht, ihnen dabei in die Gesichter zu schauen. Als jeder der Anwesenden versorgt war, setzten wir uns zusammen an den Tisch und aßen eine göttliche Reispfanne, die Mary uns zuvor gezaubert hatte. Es wurde viel geredet, sich kennengelernt und ich durfte weiterhin ein nahezu überforderndes Maß an Gastfreundlichkeit genießen. Nach einer kurzen Verdauungspause machten wir, Marcel, Chimezie & meine Wenigkeit, uns zu Fuß auf den Weg durch die tiefsten Gassen Lagos‘, was für mich ein unbeschreiblich schöner Trip war. Wenn ich reise, sieht man mich generell selten an Orten, wo sich viele Touristen aufhalten. Ich genieße es immer sehr, einen Blick hinter die Kulissen erhaschen zu können, um zu sehen, wie die Menschen in einem Land wirklich leben. Wenn das bedeutet, dass mir die Hauptattraktion der Stadt durch die Lappen geht, dann kann ich das in der Regel ruhigen Gewissens akzeptieren. Wenn ich McDonalds, Swarowski, H&M und Co. sehen will, muss ich nicht extra tausende von Kilometern hinter mich bringen – da genügt auch ein Blick aus dem Fenster.


Wie auch immer .. genau das haben die beiden mir eben geboten. Ich wurde durch deren Arbeitsstätten geführt und war sogar bei Marcel zu Hause, wo drei unfassbar süße Kinder mich mit rührenden Umarmungen empfingen. Überall kamen Leute auf mich zu, hießen mich herzlich in ihrem Land willkommen und zeigten mir, was es heißt, den medialen Bullshit, den man Tag für Tag um die Ohren gehauen bekommt, zu überwinden. Generell ist es sehr witzig, sich hier als weißer auf den Straßen aufzuhalten. Man fühlt sich wie ein Prominenter, wird angestarrt, Kinder rennen im Kreis um einen herum und selbst für das ein oder andere Selfie wird Halt gemacht. Was für ein schönes Gefühl, wenn die Hautfarbe zwar eine Rolle spielt, diese aber fernab von jeglicher Form von Rassismus stattfindet. Es ist halt was anderes, es ist interessant .. wieso können nicht alle so damit umgehen?

Die Anreise

Oct 312018

Soo meine Lieben, dann wollen wir mal zusammen in die Reise starten..


Ich bin gestern Abend, am 29.10., von Düsseldorf aus über London nach Lagos geflogen. Erst wollte ich den Flug hier gar nicht erwähnen, dann ist aber folgendes passiert. Nachdem mit dem Flieger nach London alles tutti war, hatte ich mich bereits richtig auf den Langstreckenflieger gefreut – essen, Film einlegen, dabei einpennen und in Nigeria aufwachen. Pustekuchen! Beim eindösen musste ich plötzlich feststellen, dass meine mit starken Blähungen geplagte Sitznachbarin sich in den Fußraum unseres 2er-Sitzes gequetscht hatte, da ihr das anscheinend gut tat. Dass ich mit 1,90m eh schon so meine Probleme mit Fußräumen in öffentlichen Verkehrsmitteln habe, wurde gekonnt ignoriert. Als mir dann die liebe Flugbegleiterin zum zehnten Mal mit ihrem Getränkewagen gegens Knie fuhr, hatte ich mich dazu entschlossen, den Sitz meiner Nachbarin einzunehmen. Naja .. da sie eh in Embryonalstellung im Fußraum lag und meine Beinfreiheit zur Nichte machte, erschien mir das nur fair. Trotz der nun doch recht bequemen Position versuchte ich erneut, zumindest ein Stündchen Schlaf zu erhaschen. Meine Kopfhörer konnten jedoch selbst bei voller Lautstärke dem Kindergeschrei nicht Paroli bieten und ich gab mich somit geschlagen.


Irgendwie ging die Nacht dann doch um und der Flieger ging am Dienstag um ca. 5:30Uhr morgens über Lagos runter. Jaja .. wieder Pustekuchen! Sehnsüchtig einer Ganzkörperstreckung entgegengefiebert und ebenso sehnsüchtig von Freunden am Flughafen erwartet, trat der Pilot kurz vor der Landung das Gaspedal aus heiterem Himmel voll durch und ab ging es nach Ghana. Aufgrund der schlechten Wetterlage – als ich ankam waren es 30°C ohne auch nur eine Wolke am Himmel – konnte der Pilot nicht landen und musste zum tanken eine halbe Stunde Flugzeit weiter in Ghana zwischenlanden. Die kollektive Laune im Flieger war zu diesem Zeitpunkt einfach herrlich: schreiende Kinder, keine Luft, 100°C und eine Sitznachbarin im Fußraum.


Als wir dann schließlich mit vier Stunden Verspätung landeten, war aber alles vergessen und ich konnte in den ersten Tag meines Abenteuers starten.